Ungezwungen und konstruktiv – der Petersburger Dialog an der Elbe

Der Petersburger Dialog erlebte in seiner vierten Auflage eine neue Qualität, stellte Dr. Klaus Mangold, stellvertretender Vorsitzender des deutschen Lenkungsausschusses, am Ende der zweitägigen Veranstaltung in Hamburg fest. „Dass wir nicht nur Politiker, sondern auch viele Wissenschaftler und Fachleute aus anderen Bereichen eingeladen haben, hat sich als richtig erwiesen.

Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen und im Plenum waren sehr konkret und ergebnisorientiert.“ Am 9. und 10. September hatten rund zweihundert Teilnehmer in sieben Arbeitsgruppen aktuelle Fragen – der deutsch russischen Beziehungen beraten.

Der Vorsitzende des russischen Lenkungsausschusses, Ex-Präsident Michail Gorbatschow, bemerkte, dass „nicht das fingerpointing im Vordergrund stand, sondern das Bemühen um gegenseitiges Verstehen und Lösungsansätze“ für Probleme in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, der Medienarbeit sowie im Jugendaustausch.

So übermittelt die Arbeitsgruppe „Politik“ den Regierungen Deutschlands und Russlands sowie dem Europarat einen Vorschlag für eine Konvention zum Terrorismus, die vor allem eine einheitliche Definition des Begriffes beinhaltet und davon ausgehend eine Zuordnung von Aktionen und Akteuren ermöglicht. Der ehemalige deutsche Botschafter in Russland, Dr. Ernst Jörg von Studnitz, warnte davor, Terrorismus von vornherein mit Krieg gleichzusetzen. „Hier könnten Probleme bei der Wahrung der menschenrechte entstehen“, sagte er.

Der Arbeitskreis Wirtschaft habe sich vor allem mit der Entwicklung des Mittelstandes in Russland befasst, berichtete Boris Aljoschin, der Direktor der russischen Föderalen Industriebehörde. Mit Interesse vernahmen die deutschen Teilnehmer das Angebot der Gouverneurin von St. Petersburg, Walentina Matwijenko, auf einem erschlossenen Gelände in der Newa-Metropole deutsche Unternehmen anzusiedeln und ihnen dafür die günstigsten Rahmenbedingungen zu schaffen.

Vorschläge zur Vertiefung der deutsch- russischen Zusammenarbeit in Lehre und Forschung erarbeitete die Beratungsgruppe „Wissenschaft“. Dazu gehören die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen, die Förderung der Ausbildung in der jeweils anderen Sprache und gemeinsame wissenschaftliche Projekte.

Für die Teilnehmer im Arbeitskreis Kultur standen die Vorbereitungen auf den 60. Jahrestag der Beendigung des zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt des Meinungsaustausches. Nach den erfolgreichen rund 500 Veranstaltungen in den deutsch-russischen Kulturjahren 2003/2004 sollen vor allem die Geschehnisse jener Zeit objektiv aufgearbeitet werden. Ein Schritt dazu soll die Eröffnung einen deutschen historischen Instituts in Moskau sein, für das jetzt die Voraussetzungen geschaffen wurden. Die Regierungen beider Staaten werden aufgefordert, die Informationen in den Geschichtsbüchern über Ereignisse aus jener Zeit, wie die Belagerung Leningrads, vorbehaltlos zu überprüfen. Zum schwierigen Problem der Rückführung von Kulturgut schlägt die Arbeitsgruppe vor, die beiden Leipziger Gutenberg-Bibeln, die seit Kriegsende in Moskau lagern zu digitalisieren und sie so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Möglichkeiten der Jugendlichen im Rahmen der deutsch-russischen Beziehungen werden durch die vom Petersburger Dialog auf den Weg gebrachte „Zukunftswerkstatt“ in konkrete Richtungen gelenkt. Bis zum Jahresende wird zwischen den Russland und Deutschland eine Regierungsvereinbarung zur gemeinsamen Jugendarbeit unterzeichnet. Auch wenn, oder – wie es manche Teilnehmer formulierten – vielleicht auch weil Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Wldimir Putin wegen der Ereignisse in Beslan nicht – wie ursprünglich geplant, nach Hamburg gekommen waren, entwickelte sich ein ungezwungener, konstruktiver Dialog, der auf Vorschlag von Walentina Matwijenko im kommenden Jahr vermutlich in St. Petersburg, fortgesetzt wird.(russland.RU/hh)