Gestern fand die vom Deutsch-russischen Forum e.V. organisierte Online-Konferenz zum Thema „Zwischen chinesischem Drachen und amerikanischem Adler: Russland und Europa in 2025 – gemeinsame Arbeit für eine starke Zukunft“ statt.
Delokalisierung, Handelskonflikte, ökologische Transformationen, die Bekämpfung von Steueroasen und die medizinische Vorsorge sind nur einige Beispiele für Herausforderungen, die Europa und Russland im Tandem mit deutlich besseren Chancen meistern können. Das waren die Themen der gestrigen Moskauer Gespräche, die im Online-Format stattgefunden haben.
„Gibt es Spielraum für konstruktives Miteinander in der modernen polaren Welt?“, mit dieser Frage eröffnete Martin Hoffmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums e.V., die Moskauer Gespräche.
Wir leben in einer Welt mit vielen Wettbewerbsverzerrungen und nationalen Egoismen. Ist die moderne internationale Arbeitsteilung nicht für Krisen gemacht, wollte die Moderatorin Eva Schmidt, ZDF, wissen. Denn „die Globalisierung sei erschöpft“, heißt es oft in Deutschland.
Ulf Schneider, Präsident und Gründer der SCHNEIDER GROUP Moskau, meinte dazu: „Wir werden uns die internationalen Lieferketten anschauen und sicherlich darauf achten, dass man Risiken mindert. Für Russland kann das bedeuten, dass man sich stärker als Land positioniert, wo alternative Lieferketten aufgebaut werden können. Deutsche Unternehmen werden inzwischen in Russland von chinesischen Produzenten herausgefordert. China holt im Handel auf und überholt Deutschland sogar. „Das werden wir nicht zurückdrehen können“, so Schneider. „Wir müssen etwas haben, was noch dynamischer als die neue Seidenstraße ist“. Das Konzept „Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok“ mit gemeinsamem Zoll und Logistikmarkt, gegenseitiger Anerkennung von juristischen Dokumenten wäre ein Projekt, das ganz neue Möglichkeiten bietet. Außerdem wächst die Einsicht sowohl in Russland als auch in der EU, dass man gegenüber China nur mit gebündelten Kräften etwas erreichen kann.
Prof. Dr. Alexander Libman von der Ludwig-Maximilians-Universität meinte, dass die Globalisierung langfristig alternativlos ist. Geschlossene Grenzen und Brüche bei Lieferketten waren der Grund für die Krise bei den meisten Unternehmen, also zeigt uns die Pandemie, wie „teuer die Abwendung von der Globalisierung ist“. Zum Dialog zwischen der EU und der Eurasischen Union äußerte er sich skeptisch. „Das Problem besteht darin, dass man relativ wenig Interesse von der Seite der Russischen Föderation an einem gemeinsamen Regelwerk hat“. Russland habe mehr Interesse an ganz konkreten Projekten. Die EU ihrerseits produziert Regelwerke und erwartet, dass sich die Partner ihnen anschließen.
Wird sich Russland verstärkt Richtung China ausrichten? Diese Frage beschäftige die Teilnehmer. Russland als das flächenmäßig größte Land der Welt hält natürlich alle Optionen offen, meinte Ulf Schneider dazu. China ist eine davon. Igor Nikolajew, Partner und Direktor des Institutes für strategische Analyse FBK Grant Thornton, meinte, dass die Globalisierung ihre Dynamik verliert, aber es sei eine vorübergehende Erscheinung. Wir müssen richtige Schlussfolgerungen aus der Krise ziehen: was passiert mit der Wirtschaft wirklich? Wir müssen zum Beispiel verstehen, dass es keine so starke Nachfrage nach Kohlenwasserstoff-Rohstoffen geben wird. Das bedeute, dass Russland neue Akzente setzen soll, neue Wachstumsmöglichkeiten sucht. Im Moment entwickelt sich zum Beispiel die Landwirtschaft in Russland rasant. „Der Erfolg der Globalisierung hängt davon ab, wie schnell wir von der Krise zum neun Wachstum kommen können“.
Russland ist immer noch der größte Exporteur von Öl und Gas in die EU. Kann es hier zu einer Kooperation zwischen der EU und Russland auf der Ebene der alternativen Energien kommen? Dieses Thema sei leider sehr politisiert, was wir am Beispiel von Nordstream 2 sehen, meinte Ulf Schneider. „Meine Hoffnung ist, dass man das Thema alternative Energien nutzt, ohne zu politisieren“.
Man diskutierte auch über die Frage, ob das ungebrochene Interesse der deutschen Unternehmen die Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland verstärken kann. Mit anderen Worten: Ist Wandel durch Handel möglich? Professor Alexander Libman war wieder skeptisch: Der Handel bring zwar Länder dazu zusammenzuarbeiten, aber nicht dazu, dass es zu einem Wertewandel kommt. „Man wird mehr kooperieren und in pragmatischen Fällen zusammenarbeiten, die außerhalb der hohen politischen Aufmerksamkeit liegen
Zum Schluss haben die Redner ihr Konzept von Europa und Russland im Jahre 2025 zum Besten gegeben:
Ulf Schneider betonte erneut, dass man einen Dialog führen sollte, ohne zu politisieren.
Prof. Libman war pessimistischer: der politische Schatten wird so stark sein wird, dass sich selbst konkrete Kooperationen zwischen KMU nicht erfolgreich entwickelt werden können. Wenn man aber von Visionen spricht, sollte man tatsächlich einen Dialog anstreben.
Igor Nikolajews Prognose lautete: „Ich würde sehr gern optimistisch sein, aber wir müssen realistisch bleiben. Leider wird die Politik die Prozesse beeinflussen. Einen gemeinsamen Wirtschaftsraum werden wir vielleicht in 25, aber nicht in fünf Jahren haben“
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]