Michail Prussak , Gouverneur des Gebietes Novgorod, wird während des Forums „Petersburger Dialog“ die Arbeit der Sektion „Wirtschaft und Business“ koordinieren. Mit einem Korrespondenten der russischen Internetzeitung Strana.ru sprach er über die Vorhaben seiner Arbeitsgruppe.
Frage: Womit wird sich Ihre Arbeitsgruppe „Wirtschaft und Business“ beschäftigen?
Prussak: Wir möchten eine ganze Reihe von Problemen erörtern. Das erste ist, wie der Westen die Geschäftsmöglichkeiten in Russland versteht. Ich denke, dass da Fragen an das russische Bankensystem berechtigt sind. Leider haben wir kein solches Bankensystem wie der Westen. Es gibt die Zentralbank, die Geschäfte macht, es aber eigentlich nicht sollte, und es gibt Banken, die nur eine kurze Zeit existieren.
Was ist nach Verständnis der Deutschen ein Bankensystem? Das ist, wenn Sie oder ich als Privatperson zur Bank gehen und einen Kredit für 25 Jahre aufnehmen, um ein Haus zu bauen, Hypothekenkreditierung. Oder Sie leiten eine Firma, wir haben ein Investitionsprojekt, wir gehen zur Bank und nehmen einen Kredit über 7-8 Jahre auf, bis sich das Projekt selber trägt. Wenn die Bank nur über eine kurze Zeit funkioniert, irgendwelche Operationen bedient, Machenschaften tätigt, dann bedient sie nur das Kapital der Oligarchen und arbeitet nicht auf dem realen Wirtschaftssektor und nicht für Privatpersonen. Ist das ein Problem? Ja. In der Welt haben sich zwei klassische Bankensysteme herausgebildet, das deutsche und das amerikanische. Deshalb sind die Deutschen, wie Sie verstehen, große Experten auf diesem Gebiet.
Die zweite Frage über das Geschäftssystem im Lande – es besteht aus Anträgen und Erlaubnissen. Wir haben ein Erlaubnissystem, denn in letzter Zeit treten eine Unmenge von Kontrolleuren und Beamten, mit Instruktionen ausgerüstet, in Erscheinung, die der Meinung sind: wenn ich will, werde ich es gestatten, wenn nicht, erlaube ich es nicht. Im Westen ist dagegen alles sehr einfach: es gibt ein Gesetz, auf dessen Grundlage der Beamte verpflichtet ist, den Unternehmer zu unterstützen.
Die dritte Frage ist sehr wichtig – Korruption und Ethik im Allgemeinen. Dieses Problem sprechen die Deutschen immer an, denn sie wissen, wie schwer es eben aus diesen Gründen ist, in Russland Geschäfte zu machen. Der Einfluss der Schattenstrukturen ist auch ein großes Problem. Die Zollpolitik, die verlangt, dass technologische Ausrüstung, die in Russland nicht vorhanden ist, mit Einfuhrzöllen belegt wird, ist blanker Unsinn. Außerdem werden wir einen ganze Reihe anderer Fragen erörtern.
Frage: Wer wird in Ihrer Arbeitsgruppe vertreten sein?
Prussak: Klaus Mangold als Vertreter von Daimler-Chrysler wird die Arbeitsgruppe leiten. Ich bin der Koordinator von der russischen Seite, ich werde viele Helfer haben – bekannte, mit vielen Titeln versehene, kluge, talentierte Leute, denn sie leben in Moskau und Sankt Petersburg. Wer in diesen Städten wohnt, ist automatisch klug. Da sind auch Teimuras Bollojew, der Generaldirektor der Firma „Baltika“ und Andrej Kasmin, der Präsident der russischen Sberbank und eine Reihe anderer Persönlichkeiten.
Frage: Womit hängt es Ihrer Meinung nach zusammen, dass im russischen Koordinierungskomitee so viele Petersburger sind?
Prussak: Erstens sind Ljudmila Werbitzkaja, Michail Piatrowski usw. einfach gute Menschen. Boris Gryslow und Putin kommen auch aus Leningrad. Das ist für die Ewigkeit, wie die Liebe. Und zweitens ist Petersburg dem Westen näher, Petersburg ist das Zentrum des europäischen Teils, der geistig und psychologisch dem Westen näher steht. Moskau, das ist schon eurasische Ideologie, ohne prowestliche Elemente, leider. Denn 500 Jahre eurasische Ideologie schaffen ein Machtvakuum und Probleme, und wir kommen nicht auf die Beine. Aber das ist ein anderes Thema.
Frage: Was haben Sie im Rahmen der Begegnungen vom 8.-10. April geplant?
Prussak: Ich würde gern unsere Erfahrungen bei der Heranziehung ausländischer Investitionen, ausgehend von der realen Arbeit, die in Nowgorod geleistet wurde, aufzeigen. In den letzten 10 Jahren entstanden im Gebiet immerhin 180 Betriebe mit Beteiligung ausländischer Investoren. Ich möchte zeigen, dass ungeachtet der schwersten Bedingungen, unter denen die Geschäftswelt leben muß, wenigstens Vorbereitungsarbeit geleistet werden kann. Aber wir werden auch einige Schwierigkeiten haben, uns mit den Deutschen zu verständigen: die deutsche Versicherungsgesellschaft „Hermes“ und die Dresdner Bank haben wir während der Augustkrise 98 verprellt. Das hinterlässt natürlich seinen Eindruck.
Frage: Warum ein solcher Dialog ausgerechnet mit den Deutschen?
Prussak:Was gibt es denn in Europa außer den Deutschen? Die deutsche Wirtschaft entwickelt sich in schnellem Tempo, der EURO ist der Mark angeglichen, und das zeugt von der Stabilität der Finanzsituation. Man muß die realen Bedingungen ins Kalkül ziehen.
Frage: In den Beziehungen zu Deutschland gibt es zwei wunde Punkte- das Problem der Schulden und der Restitution. Wie ist die Haltung der Teilnehmer Ihrer Arbeitsgruppe zu diesen Fragen?
Prussak: Ich nehme nicht an, dass wir Restitutionsprobleme anschneiden werden. Im Forum gibt es eine Sektion „Kultur“, deren Arbeit von Michail Piatrowskij koordiniert wird, und ich denke, dass seine Arbeitsgruppe die Fragen der Restitution behandeln wird. Meine Haltung dazu ist folgende: man darf sich in dieser Frage nicht sträuben, aber auch nicht überstürzt etwas zu lösen versuchen. Das ist ein langer Prozess. Man hat auf unserem Territorium Kunstschätze gefunden, die dem Staat gehören, aber bei ihnen befinden sich diese Werte in privaten Sammlungen. Ausgezeichnet. Kaufen und tauschen. Oder der private Sammler spendet. Wenn er es nicht kann, muß der Staat kaufen. Das kann nicht so sein.
Frage: Das betraf die Restitution. Wie ist Ihre Meinung zu den Schulden?
Prussak: Im August 1998, als wir den Westen betrogen haben, darunter auch Deutschland, war ich in der Dresdner Bank und konnte dazu nichts sagen. Das Vertrauen in uns stellt sich nur wieder her, wenn wir so etwas nicht wieder machen. Bei uns hatte nicht nur der Staat, sondern auch private Strukturen die Möglichkeit, den Westen zu linken. So etwas kann man nicht endlos wiederholen. Seine eigene Bevölkerung kann man einige Male übers Ohr hauen, was wir auch gemacht haben. Russland ist aber ein Ort, wo man auch nicht lange betrügen kann, weil dann die Zeit der Abrechnung kommt. Ich weiß nicht, ob auf dem Forum Fragen der Rückzahlungsfristen der Schulden besprochen werden, aber wenn man vom Pariser Klub ausgeht, dann nimmt Deutschland in dieser Frage eine harte Position ein.. Es ist der Meinung, dass unverzüglich gezahlt werden muß. Und wir werden natürlich zahlen. Illarionow tritt dafür ein, dass gezahlt wird, ich denke ebenso, dass man zurückzahlen muß und nicht neue Schulden auf sich laden sollte.
Frage: Wird sich das Forum mit der Lösung der Schuldenfrage befassen?
Prussak: Ich nehme das nicht an. Wir können unseren Standpunkt darlegen, aber was die Lösung oder konkrete Verhandlungen angeht, so müssen das die Regierungen beider Länder klären. Es sind große Unternehmer eingeladen, am Forum teilzunehmen, auch Regierungsbeamte, die sich mit diesen Problemen beschäftigen. Das erklärt auch die Bezeichnung des Forums „Petersburger Dialog“. Es hat sich Annäherung, Dialog und Unterstützung für unsere Regierungen zum Ziel gesetzt. Ich kann natürlich nur für die Arbeit meiner Sektion Verantwortung tragen und nicht im Namen des russischen Staates Probleme dieses Niveaus lösen.
Frage: Was kann das Forum real bewirken?
Prussak: Die Annäherung der Positionen. Mehr Informationen geben. Das ist sehr wichtig. Informationen im persönlichen Dialog austauschen – das ist von großer Bedeutung, weil sowohl bei ihnen als auch bei uns ein Problem teilweise angekocht wird, ohne zum Kern vorzudringen.Ich denke auch nicht, dass ein Journalist, der einen Artikel schreibt oder eine Sendung macht, zum Wesen der Frage vordringt. Probleme sollten von Experten gelöst werden.
Über Russland hat sich im Westen ein ganz bestimmtes Bild gefestigt, das in vielem verzerrt ist. Aber wir liefern dafür jeden Tag einen Anlaß. Erklären Sie doch zum Beispiel mal dem Westen die Gründung der Finanzaufklärung oder die Existenz einer solch großen Zahl kontrollierender Strukturen, wie sie in letzter Zeit entstanden sind.
Ich persönlich werde sehr froh sein, wenn es mir gelingt, etwas im „Petersburger Dialog“ zu bewegen. Die Regierung real zu beeinflussen vermag nur die Fraktion „Jedinstwo“. Sie haben eine Reihe von Vorschlägen, die in den einzelnen Sektionen dikutiert werden und die die Fraktion dann als Gesetzesvorlage in die Duma einbringen kann. „Jedinstwo“ hat die Möglichkeit, eine Rolle in der Politik zu spielen, auch in der Investitionspolitik, und die Regierung zu beeinflussen. Solche Möglichkeiten habe ich nicht.
Frage: Wird eine Annäherung der Haltungen zu vielen Fragen, wie es weitergehen soll, stattfinden?
Prussak: Ich kann Ihnen sagen, was im Novgoroder Gebiet bereits geschehen ist. Der Vorstand von Daimler-Chrysler weiß, dass auf dem Territorium unseres Gebietes ein Joint Venture mit Daimler-Beteiligung existiert, dass es noch ein Joint Venture mit der Firma Sommer gibt und noch einige deutsche Betriebe, einen englischen, einen dänischen, einen österreichischen, finnische usw. Verstehen Sie? Man muß nur wollen….
Frage: Das heißt also, dass auf dem Forum Fragen deutscher Investitionen in die russische Wirtschaft erörtert werden?
Prussak: Selbstverständlich, am Treffen nehmen viele Unternehmer teil. Wir wollen solche Vorschläge unterbreiten, um die Deutschen zu Investitionen anzuregen. Wir würden Produktionsflächen und Energie zur Verfügung stellen, aber bislang hat man noch kein Vertrauen in uns. Ich denke, dass das Forum auch dieses Problem zu regeln hilft.