Michail Margelov vertritt den Gouverneur des nordwestrussischen Gebietes Pskow im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlamentes. Während des Forums „Petersburger Dialog“ koordiniert er die Arbeit der Sektion „Massenmedien“. Mit ihm sprach die Moskauer Internetagentur strana.Ru.
Frage: Welche Themen werden in der Sektion „Massenmedien“ angesprochen?
Margelow: Unsere Sektion wird einen recht großen Kreis von Fragen behandeln. Das werden Themen sein, die nicht nur mit der Pressefreiheit zusammenhängen, was der Westen in letzter Zeit sehr gern tut. Irgendwer im Westen, wie man früher zu sagen pflegte, begreift das Problem der Medien in sehr engem Rahmen und bezieht es lediglich auf Gussinskij und die Holding „Media-Most“. Als dieses Thema auf unserer letzten vorbereitenden Sitzung in Berlin zur Sprache kam, war es übrigens die russische Seite, die sagte, dass das Thema und das Problem Pressefreiheit in unserem Lande wesentlich vielschichtiger ist.
In den letzten zehn Jahren verfolgen wir mit wachsender Anspannung, wie in den Regionen Russlands die Gouverneure sich wie echte Feudalherren aufführen und Druck auf die elektronischen und Printmedien ausüben. Wir sind verpflichtet, das Problem der Pressefreiheit in Russland wesentlich breiter gefächert zu behandeln, und wir möchten gern die Aufmerksamkeit unserer Partner in Deutschland prononciert auf die Presefreiheit in den russischen Regionen lenken. Was einige Gouverneure hinsichtlich der Medien anstellen, verlangt ab und zu sogar nach internationaler Einmischung.
Außerdem werden wir über die Entwicklung der Medien im Internet sprechen, dieses Thema war von der russischen Seite vorgeschlagen worden und hatte unsere deutschen Kollegen etwas verwundert. Ich kann nicht umhin zu behaupten, dass auf diesem Gebiet Russland der deutschen Seite zehn Schritte voraus ist. Bis zum heutigen Tage konnte man im deutschen Internet nur ein klassisches elektronisches Medium ausmachen, alles andere sind Internetversionen verschiedener deutscher Zeitungen. Der russischen Seite steht meiner Meinung nach die Siegerpalme zu, und unsere deutschen Kollegen können von uns noch etwas lernen.
Dazu wird auf dem Forum auch die theoretische Frage „Die Rolle der Medien unter den Bedingungen der Globalisierung“ erörtert werden. Die deutsche Seite schlägt auch rein profesionell-theoretische Fragen vor. Es ist nicht auszuschließen, dass wir auch die Möglichkeiten der Gründung eines deutsch-russischen Presseklubs in beiden Ländern dikutieren werden, sowie die Einrichtung eines deutsch-russischen Fernsehkanals, die Organisation von Informationsreisen für Journalisten und den Austausch junger Journalisten.
Frage: Wer wurde zur Arbeit in Ihrer Sektion eingeladen?
Margelow: Von deutscher Seite nehmen hochkarätige Leute teil, sie wird auf höchstem Niveau vertreten sein. Es kommen der Herausgeber der Zeitung „De Woche“ Manfred Biefinger, der Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ Hans Kiltz sowie der Verleger der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Berthold Kohler und eine ganze Reihe führender Persönlichkeiten der Printmedien Deutschlands. Uns hat etwas verwundert und auch ein bißchen enttäuscht, dass diese fraglos achtenswerten Personen alle schon im fortgeschrittenen Alter sind.
Hat doch gleich zu Anfang, als gerade erst einmal die Rede von einem deutsch-russischen Forum war, die deutsche Seite die These aufgestellt, dass es unumgänglich sei,auch die Vertreter der neuen politischen und der jungen Generation in den Medien zu berücksichtigen. Es sei bemerkt, dass unter den russischen Teilnehmern die Anzahl der Personen unter 45 Jahren erheblich größer ist als auf der deutschen Seite.
Frage: Wer wird Russland vertreten?
Margelow: Unter den russischen Teilnehmern werden der Vorsitzende der Allrussischen staatlichen Radio-und Fernsehgesellschaft Oleg Dobrodejew und der TASS- Generaldirektor Vitali Ignatjenko erwartet. Viktor Maschindschinow, der Generaldirektor der Fernsehgesellschaft „6. Kanal“ aus Sankt Petersburg, Michail Rogoschnikow, der Chefredakteur des nationalen Informationsdienstes „strana.Ru“. Natürlich auch der Generaldirektor von „Radio Baltika“ Oleg Rudanow, die Chefredakteurin der Zeitung „Tschas Pik“ Natalja Tschaplina. Wir haben nicht von ungefähr ein solches Gewicht auf die Petersburger Medien gelegt: unserer Meinung nach ist der Nordwesten Russlands immer der Teil des Landes gewesen, der am stärksten Europa zugewandt ist. Aus Moskau werden der Chefredaktuer des Wochenblattes „Argumenty i Fakty“ Wladislaw Starkow, der Chefredakteur des „Ogonjok“ Wladimir Tschernow und der Chefredakteur des „Experten“ Waleri Fadejew dabei sein. Selbstredend werden sowohl von deutscher als auch von russischer Seite Experten dabeisein.
Frage: Sie haben selbst über die Situation um die Holding „Media-Most“ angefangen. Wie ist die Position der deutschen Seite in dieser Frage? Wird dieses Problem auf dem Forum erörtert werden?
Margelow: Während der Begegnung in Berlin haben die deutschen Kollegen, wahrscheinlich aus politischer Korrektheit, dieses Thema nicht als „Problem“ bezeichnet. Aber auf die eine oder die andere Weise klang es in jedem Beitrag an. Ich war genötigt, die Situation etwas zu forcieren und geradeheraus diese Frage zu formulieren, um unsere Position darlegen zu können. Anfangs wollte die deutsche Seite das Thema Massenmedien ausschließlich vom Standpunkt der Information, des professionellen Herangehens an die Journalistik betrachten. Aber wenn wir über die Situation mit „Media-Most“ reden, müssen wir auch unbedingt das Thema „Business und Medien“ ansprechen.
Ich hatte vor zwei Wochen eine sehr interessante Begegnung mit Igor Malaschenko, zufällig auf einer Konferenz in Ardenhouse unweit von New York. Ich habe seinen Vortrag auf dieser Konferenz gehört, wo er im Prinzip der Position der Leitung von „Media-Most“ nichts neues hinzuzufügen hatte, aber im Refrain erklang das Thema:“Wir warten darauf, dass Ted Turner Aktien unserer Gesellschaft kaufen wird.“ Dieser Satz verrät das Unterbewußtsein, wie uns Freud gelehrt hat. Wenn sogar die Chefs von „Media-Most“ ständig alle Fragen auf den wirtschaftlich-finanziellen Teil hin zuspitzen, hat es auch für uns keinen Sinn, auf dem russisch-deutschen Forum das Thema unter einem anderen Blickwinkel zu debattieren.
Frage: Es wird oft die Meinung geäußert, dass dies aber ein politisches Problem sei.
Margelow: Ich hatte als Mensch, der die Entwicklung der Beziehungen zwischen Michail Lesin und Wladimir Gussinskij seit 1995 beobachten konnte, von Anfang an den Eindruck, dass dieses Problem wohl kaum ein politisches ist. Ungeklärte wirtschaftliche Fragen zwischen „Media-Most“ und „Gazprom“ sind die Ursache .“Media-Most“ kann als „Angeklagter“, wenn wir mit juristischen Begriffen sprechen, im Westen in erster Linie als Gejagter auftreten und ständig die Verletzung der Menschenrechte und der Pressefreiheit vor sich hertragen. Das ist die normale Herangehensweise professioneller PR-Leute. Igor Malaschenko ist einer der herausragenden Experten auf dem Gebiet der Public Relations in unserem Lande und wahrscheinlich in der ganzen Welt. Vor seinem Professionalismus kann man nur den Hut ziehen. Es wurde eine bemerkenswerte PR-Strategie ausgearbeitet und umgesetzt, die man zum Beispiel „Pressefreiheit in Russland“ nennen kann.
Frage: Sie haben die Forumsteilnehmer aus Moskau und Sankt Petersburg genannt. Werden auch Vertreter der von lokalen Behörden unterdrückten Medien teilnehmen?
Margelow: In Zukunft ganz bestimmt. Aber nicht vom 8.-10. April. Über die Situation der Medien im Pskower Gebiet kann ich kompetent Auskunft geben. Sie ist dort nicht einfach, besonders wenn man an den unlängst abgeschlossenen Wahlkampf denkt. Was andere Regionen anbelangt, so haben wir uns diesmal ganz bewußt auf den Nordwesten beschränkt. An den weiteren Veranstaltungen des Forums, die nach dem ersten Petersburger Dialog stattfinden, werden selbstverständlich auch Vertreter der Kalininigrader, Novgoroder, Archangelsker, Murmansker und Karelischen Massenmedien teilnehmen. Man kann nicht alle auf einmal einladen. Andererseits hoffen wir, dass Journalisten aus den nordwestlichen Gebieten Russlands zum Forum kommen werden.Die Medien sollten selbst Interesse an diesem Forum zeigen, den Journalisten sollte darüber mehr bekannt sein, als es im Moment ist. Das erste Treffen ist mehr oder weniger zum Beschnuppern da.
Frage: Es ist ja kein Geheimnis, dass in westlichen Medien, darunter auch in den deutschen, das Bild Russlands verzerrt dargestellt wird. Werden Sie in Ihrer Arbeitsgruppe in dieser Richtung mit der deutschen Presse arbeiten?
Margelow: Man kann nicht durch irgendwelche Werbekampagnen oder PR-Aktionen das Bild Russlands im Ausland beeinflussen, zumal man ja die Zielgruppe solcher Aktionen von Moskau aus nicht definieren kann. Außerdem kann man nicht einschätzen, wie das unserer Meinung nach überzeugende Material auf die Zielgruppe wirkt. Die einzige Möglichkeit, ein positives Russlandbild zu schaffen, ist, alles positive, was im Lande vor sich geht, zu zeigen. Und nur so können wir ein positives Russlandbild schaffen. Ich nehme an, dass die Begegnungen und Gespräche während des Forums für viele westliche Journalisten Neuland sein werden. Ich war fünf Tage in Washington und traf mich dort mit meinen Kollegen, den Senatoren, im Capitol. Für viele waren meine Ausführungen absolutes Neuland. Denn die Vorstellung dieser Amerikaner darüber, was in Russland passiert, wird aus den Klischees, deren sich die amerikanischen Zeitungen bedienen, gebildet.
Frage: Was erwarten Sie von Ihren deutschen Kollegen?
Margelow: Ich möchte gern die Meinung unserer deutschen Kollegen zum Verhältnis der regionalen und der Bundespresse hören. Wie handeln sie gemeinsam, worin unterscheiden sie sich, wie arbeitet die regionale Presse mit den Landesregierungen zusammen. Wie beeinflußt die Bundesregierung die Länderpresse, wenn sie sie überhaupt beeinflußt, und nimmt sie Einfluß auf die Landesregierungen, wenn es Probleme mit der Presse in den Ländern gibt. Ich denke, das wir diesmal einfach nur zuhören. Ich und wir alle wissen sehr wohl, welche Probleme es mit den regionalen Medien gibt. Um sie lösen zu können ist es sehr nutzbringend zu erfahren, was andere in ähnlichen Fällen tun.