Drohungen und offene Kritik blieben beim Deutschland-Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin diesmal aus. Ein versöhnlicher Ton beherrschte das zweitägige deutsch-russische Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Wiesbaden, das am Montag zu Ende ging. Doch bei vielen Themen dürfte es trotz aller zur Schau getragenen Harmonie kaum Annäherung gegeben haben.
Der Umgang mit dem Iran zum Beispiel bleibt zwischen Berlin und Moskau weiter strittig. Doch die Differenzen sollen möglichst nicht zu sehr nach außen getragen werden: Demonstrativ wiesen Putin und Merkel auf das gute Verhältnis beider Staaten hin.
„Sachlich und vertrauensvoll“ sei sein Verhältnis zu Merkel, jedes Problem werde sehr offen besprochen, betonte Putin, den mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) noch eine herzliche Männerfreundschaft verbunden hatte. Es gebe keinen „doppelten Boden“ in den Diskussionen. Die Bundeskanzlerin lobte ihrerseits, dass zwischen Russland und Deutschland ein „offener und ehrlicher Dialog“ möglich sei. Sie betonte zugleich ausdrücklich, dass Unterschiede nicht unter den Tisch gekehrt werden dürften.
Diese sind auch nach dem Treffen keineswegs ausgeräumt. Deutlich wurde dies etwa im Streit um das iranische Atomprogramm. Unmissverständlich machte Putin klar, dass er derzeit nicht an weitere Sanktionen denkt. Es sei „aussichtslos“, den Iran einzuschüchtern oder dem Land Angst einjagen zu wollen, zeigte sich der Präsident überzeugt. Merkel drohte dagegen dem Iran erneut mit weiteren Sanktionen, falls sich die iranische Regierung nicht bewegt.
Über andere Streitpunkte schwiegen Putin und Merkel bei ihren öffentlichen Auftritten. Kein Wort verloren sie etwa über den Streit um das das geplante US-Raketenschild in Osteuropa. Dabei hatte Putin gerade erst am vergangen Freitag die Tonart in der Auseinandersetzung mit den USA verschärft, als er bei einem Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice und US-Verteidigungsminister Robert Gates mit dem Ausstieg aus einem zentralen Abrüstungsvertrag drohte. Zur umstrittenen Zukunft der südserbischen Provinz Kosovo hieß es lediglich, dass darüber gesprochen worden sei.
Lieber sprachen die beiden Regierungschefs am Montag über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen ihren Ländern. Merkel nannte die wirtschaftliche Zusammenarbeit das „Herzstück“ der Partnerschaft. Im gegenseitigen Handel habe es zuletzt ein Plus von 35 Prozent gegeben. Auch Putin lobte ausdrücklich die Wirtschaftsbeziehungen. Die deutsche und die russische Wirtschaft ergänzten sich. Es sei auch nicht so, dass Russland Deutschland mit „Billigwaren“ überschütte.
Was seine eigene Zukunft betrifft, hielt sich Putin bedeckt. In Russland stehen im Dezember Parlamentswahlen und im März Präsidentschaftswahlen an. Putin darf nicht wieder kandidieren, soll aber die Liste seiner Partei bei den Parlamentswahlen anführen. Deshalb wird darüber spekuliert, dass er das Amt des des Ministerpräsidenten anstrebt.
Auch Merkel war in diesem Punkt nichts zu entlocken. Auf die Frage, ob Putin ihr etwas verraten habe, entgegnete die Kanzlerin, sie mache von ihrer Fähigkeit Gebrauch „warten zu können.“ Sie dürfte aber damit rechnen, dass Putin auch in Zukunft ein entscheidender Gesprächspartner auf russischer Seite sein wird. Und das könnte bedeuten, dass auch wieder weniger harmonische Treffen als das in Wiesbaden zu erwarten sind. [Carsten Hauptmeier, afp]