Der Petersburger Dialog, das wichtigste Forum für den Dialog der Zivilgesellschaften zwischen Deutschland und Russland ist wahrscheinlich Geschichte. Auf unbestimmte Zeit verschoben harrt er einer Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen, die möglicherweise nie kommen wird.
Antwort des Dialogs an Kritiker
Für seine Verhältnisse harsche Worte fand der deutsche Vorsitzende des Lenkungsausschusses de Maizière für die bereits vor der Absage bestehenden Kritiker des Forums in Gestalt der Böll-Stiftung oder Greenpeace. Diese hatten den Dialog als zu russlandfreundlich und von russischer Seite als zu regierungsdominiert kritisiert und ihre Teilnahme deshalb von vorne herein abgesagt. De Maizière schrieb an diese in einem offenen Brief: „Sie versuchen (…), den Petersburger Dialog auf das enge Feld einiger Vertreter der Zivilgesellschaft zu reduzieren, (…) deren Interessensspektrum nur einen Teil des gesamten zivilgesellschaftlichen Engagements abdeckt.“ Denn die Kritiker wollen nur mit dem Teil der russischen Gesellschaft reden, der ihre eigene Meinung teilt, egal wie gering der Ausschnitt aus der dortigen Bevölkerung ist, der so denkt. Dialog mit Vertretern der Regierungsmeinung ist hingegen nicht gewünscht – sonst hätte man ja nicht abgesagt.
Dialog nur mit „handverlesenen“ Menschenrechtlern?
Hier stellt sich die Frage, warum gerade sonst nach eigenem Selbstbild diskussionsverliebte Zeitgenossen wie Grüne oder Grünbewegte bei einem Dialogforum Wert darauf legen, den Dialog nur mit gleich gesinnten zu führen. Es fragt es sich, wie man die eigenen hohen Ziele weltweit mehrheitsfähig machen will, wenn man schon den Dialog nur mit den wenigen pflegt, die einem bereits beipflichten. Es ist nun einmal Realität und man kann das gerne bedauern, dass die Mehrheit der politisch aktiven Bevölkerung – der Zivilgesellschaft – in Russland den aktuellen Regierungskurs unterstützt. Es ist weiter Realität, dass von der verbleibenden Opposition wiederum die Mehrheit eben nicht aus prowestlichen Liberalen besteht, die im gleichen ideologischen Gedankengebäude sitzen, wie ein grüner Berufsaktivist oder –politiker. Es gibt nun einmal größere andere oppositionelle Bewegungen in Russland als die Westliberalen von Jabloko oder Solidarnost, beispielsweise die Kommunisten oder Gerechtes Russland oder die gemäßigten Liberalen von der „Rechten Sache“. Aber warum will man mit den übrigen keinen Dialog pflegen?
Ein Dialog mit der russischen Zivilgesellschaft muss nun einmal stattfinden mit den Aktiven, die es in dieser Gesellschaft gibt und nicht mit denen, die man am liebsten haben möchte. Jeder, der in Russland schon politisch diskutiert hat weiß, dass sachliche Auseinandersetzungen auch mit vielen Regierungsanhängern möglich sind, die die eigene Meinung bei vielen Sachthemen nicht teilen. Die Kritiker des Petersburger Dialogs hingegen gebaren sich wie die westlichen Journalisten, die in Russland einheimische Stimmen zu weltpolitischen Entscheidungen ausschließlich im gleichen, eng umgrenzten Millieu der westorientierten Menschenrechtler einfangen und so den falschen Eindruck vermitteln, das wäre das Stimmungsbild der typischen russische Bevölkerung. Die der russischen Seite nur die Möglichkeiten geben wollen, eigene Meinungen darzustellen, die dem Transport ihres eigenen Weltbilds nützen. Natürlich ist die russische Regierung nicht wirklich demokratisch und das wirkt sich auf die Auswahl der Gesprächspartner beim Petersburger Dialog aus. Aber dennoch wird kein Russlandkenner widersprechen, wenn man feststellt, dass die getroffene Auswahl die aktuelle Bevölkerungsmeinung besser repräsentiert, als wenn man die Gesprächspartner nach dem Wunschkonzert eines grünverwandten Establishments handverliest.
Deutsche Dialogverweigerer verraten eigene Wurzeln
Besonders beschämend ist, dass die deutschen Dialogverweigerer ausgerechnet aus einem Milieu stammen, das in den 70er und 80er Jahren selbst erleben musste, wie es ist, wenn das Establishment, zu dem man damals noch nicht gehörte, nicht mit einem spricht, weil man aufgrund einer anderen Einstellung „bäh“ ist. Nun gehört man selbst zum politischen Mainstream und verhält sich (fast) einem ganzen Volk gegenüber ebenso, so lange es die eigenen Ideale nicht teilt. Hier stellt sich in der Tat die Frage, ob ein Dialog mit Andersdenkenden bei solch ideologisierten Politprofis sinnvoll oder nur ein gegenseitiger Monolog von Grundsatzerklärungen und nicht kompatibler Einstellungen gewesen wäre. Passenderweise gibt es ja auch auf russischer Regierungsseite ebenso ideologisierte Vertreter der Gegenmeinung und die doppelten Monologe wären da wohl sehr langweilig geworden. Eine Sache ist aktuell bei vielen Politprofis fast unmöglich, die de Maizière als Wesensgehalt des Petersburger Dialogs sieht: „Ein Gespräch ´auf Augenhöhe´, nicht von oben herab, nicht moralisch belehrend, aber mit klaren und ehrlichen Argumenten“. Das ist in der Tat weder eine Stärke des grünen Umfeldes im Bezug auf Russland noch des deutschen journalistischen Mainstreams.
Generell ist der Niedergang des Petersburger Dialogs natürlich der Verlust einer der wichtigsten institutionellen Kommunikationsbasen zwischen Deutschland und Russland. Angesichts der Tatsache, dass auch in Deutschland gute Teile der Politik gar keine Kommunikation wollen, fragt man sich schon, ob die Zerstörung einer wichtigen Kommunikationsbasis nicht einfach eine zwingende Folge solch einer Entwicklung ist, innerhalb der Zivilgesellschaften und ihrer Meinungsführer. Schade ist das „nur“ für die anderen, die auf beiden Seiten gesprächsbereit sind. Schade ist es auch, so klischeehaft das bei einer Auseinandersetzung mit grünen und jetzt nicht mehr alternativen Betonköpfen klingen mag für eine weitere Sache: Den Weltfrieden.
Roland Bathon, russland.RU