Ein Run durch die Institutionen

Am Dienstag ist das Programm so prall gefüllt, dass das Frühstück bereits eine halbe Stunde früher als gewohnt stattfinden muss, um den Plan zu erfüllen: Morgens geht es im Föderationsrat um die Probleme des Vielvölkerstaats Russland, mittags werden parallel zwei Diskussionsrunden in der Moskauer Stadtduma abgehalten, dann geht es im Laufschritt zur Staatsduma – wo die Teilnehmer durch die langwierige Einlasskontrolle gebremst werden – und anschließend per Bus durch die allabendliche Rushhour zur Jugendkammer der Stadt. Erst am abschließenden, binnen Minuten leer gegessenen Buffet kommt der Puls wieder zur Ruhe.

Am Ende des Tages haben sich einige systematische und sich wiederholende Probleme gezeigt. Das Jugendparlament wird oftmals auf ein Stellvertreterorgan der „Jugend“, auf deren Lobbyorganisation, reduziert. Dieser Jugend gegenüber versuchen die verantwortlichen Politiker dann ihre Politik damit zu rechtfertigen, dass es doch zahlreiche Programme, Projekte oder Wettbewerbe für die Jugend gebe – niemand möchte eben den Stempel jugendfeindlich bekommen. Teilweise sind daran aber die Jugendparlamentarier selbst schuld, allzu oft wird der gleiche Typ von Frage auf verschiedene Weise gestellt: was denn in diesem oder jenem Gebiet für die Jugend getan werde, was es für „Projekte“ gebe, etcpp.. Selten ringen sie sich dazu durch, allgemeine gesellschaftliche Visionen zu entwerfen oder auf einem Problem zu beharren, die Antworten zu erwidern, ihren Gegenüber zu unterbrechen und ihm mit längeren Statements einen Teil der ungleich verteilten Redezeit zu entwenden. Trotzdem nimmt die Gesprächssituation manchmal eine Struktur an, die so spannend wie vielsagend ist: Obwohl die Jugendparlamentarier meistens brav, fast schüchtern an den riesigen Sitzungstafeln Platz nehmen, wirken die Politiker oft wie Angeklagte auf einer Gerichtsban. Sie scheinen bereits ein Plädoyer für sich selbst halten, noch bevor auch nur ein Jugendparlamentarier das Wort ergriffen hat.

In Erinnerung bleiben vor allem die grotesken Momente. So erhält eine russische Teilnehmerin, die behauptet, in Moskau keine Familie gründen zu können, die Antwort, dass es eben keine staatliche Dienstleistung für Liebe gebe. Diese Entgegnung ist zwar unangenehm schroff, zugleich aber symptomatisch. Sie karikieren nämlich den manchmal aufkommenden Eindruck, dass sich die Forderungen der Jungparlamentarier vor allem auf ein unterhaltsames wie finanzielles Rundumangebot von staatlicher Seite richten.

Und dann ist da natürlich noch die Begegnung mit dem Ex-Boxer und neuerdings Dumaabgeordneten Nikolai Walujew. Man kann nur Mutmaßen, warum der angekündigte Politiker der Kommunistischen Partei zur Diskussionsrunde in der Staatsduma nicht erscheint. Vielleicht missfällt ihm nicht nur die Tatsache, dass die Sitzung in den Fraktionsräumen von „Edinaja Rossija“ stattfindet, sondern auch, dass er neben dem 2,13 Meter Hünen und ehemaligen Schwergewichtsweltmeister Walujew Platz nehmen müsste. Trotz der Anwesenheit von Walujew machen dann aber eher die Aussagen einiger russischer Politiker der Regierungspartei Angst: So solle man sich in sozialen Netzwerken „mit Pässen registrieren“, um sich der Identität seines Gegenübers sicher zu sein – „Wenn man denkt, dass man mit einer jungen hübschen Frau kommuniziert, dann soll es auch eine junge Frau sein und nicht ein riesiger unrasierter Mann.“

Bei den vielen Diskussionen dieses Tages wirkt manch einer verständlicherweise schon etwas müde und schläfrig. Definitiv ganz wach sind dann alle, als es darum geht, Fotos mit Walujew und vor dem Parteilogo von „Edinaja Rossija“ zu machen. Bei dem Boxer kann man sich wenigstens sicher sein, es mit einem riesigen Mann zu tun zu haben.

Presseteam des Jugendparlaments

[russland.RU]