Das Koch-Metschnikow-Forum – ein Kind des Petersburger Dialogs

Gespräch mit Prof. Dr. Wilfried Bergmann,Mitglied des Llenkungsausschusses des Petersburger Dialogs und stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD)

[ russland.RU ] Herr Professor Bergmann, die Unterzeichnung der deutsch-russischen Vereinbarung über die Gründung des Koch-Metschnikow-Forums zur gemeinsamen Bekämpfung von Infektionskrankheiten

während des Petersburger Dialogs im Oktober in Dresden erhielt durch die Anwesenheit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des russischen Präsidenten Wladimir Putin einen besonderen Stellenwert. Warum?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Die Bekämpfung lebensbedrohender Infektionskrankheiten ist in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem weltweiten Thema geworden, das natürlich auch Russland und Deutschland berührt. So entstand die Idee, dass die Spezialisten aus beiden Ländern stärker in diesem Bereich zusammenarbeiten – in der Forschung, der praktisch-medizinischen Arbeit und auch bei der Aus- und Weiterbildung nachwachsenden Personals.

Das erste Mal wurde das Projekt auf dem 4.Petersburger Dialog 2004 in Hamburg vorgestellt und dann durch den deutschen wie auch den russischen Lenkungsauschuss des Petersburger Dialogs im vergangenen Jahr in Petersburg noch mal bestätigt. Dort wurde auch der Auftrag erteilt, das Vorhaben in eine vertragliche Form zu bringen. Diese Vereinbarung wurde jetzt in Dresden unterschrieben.

[ russland.RU ] Wer hatte die Idee zu diesem gemeinsamen Projekt?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Die Initiative wurde nahezu zeitgleich von zwei verschiedenen Seiten entwickelt. Ich wollte, auf der Grundlage meine Kenntnisse und Erfahrungen als stellvertretender Generalskretär des Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes DAAD ein Programm für Mediziner- Ausbildung und Zusammenarbeit im Rahmen des Petersburger Dialogs und Prof. Hahn von der Charité, teilte mir mit, dass er schon in konkreten Gesprächen mit russischen Partnern steht. So wurden beide Initiativen zusammengeführt, ergänzt durch Vorschläge der russischen Seite. Daraus entstand dann das Konzept.

[ russland.RU ] In Dresden wurden letztendlich Nägel mit Köpfen gemacht?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Das war möglich, weil schon im Vorfeld die Partner zueinander gefunden hatten, die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen waren, das Programm zu Papier gebracht war. Damit konnte die Vereinbarung unterzeichnet werden, die natürlich auch die Basis ist für die Beschaffung der finanziellen Mittel zur Umsetzung des Programms.

[ russland.RU ] War die Unterzeichnung der Vereinbarung zum Koch-Metschnikow-Forum in Beisein von Putin und Merkel ein Ausdruck der hohen Anbindung des Themas?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Unbedingt. Die Zusammenarbeit im medizinischen Bereich, das haben die Beschlüsse auf dem G-8-Gipfel in Sankt Petersburg gezeigt, ist auch in der bilateralen Kooperation eines der zentralen Themen und aus diesem Grund wurde das Koch-Metschnikow-Forum auch unter den Augen von Frau Merkel und Herrn Putin in eine vertragliche Form gegossen.

[ russland.RU ] Ist das Thema Koch-Metschnikow-Forum damit für den Petersburger Dialog erledigt?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Auf keinen Fall. Ähnlich wie bei der deutsch-russischen Jugendstiftung hat der Petersburger Dialog den Entwicklungsprozess des Koch-Metschnikow-Forums begleitet, und gibt auch weiterhin seine Unterstützung, wo es notwendig und möglich ist. Der Petersburger Dialog schickt also seine Kinder nicht in die Wüste. Deshalb wird auch das Koch-Metschnikow-Forum in seiner Satzung als „eine Initiative des Petersburger Dialogs“ gekennzeichnet und es führt diese Bezeichnung auch in seinem Titel weiter. Der Petersburger Dialog sieht seine Verpflichtung darin, den Prozess politisch unterstützend zu begleiten. Dort, wo die Mediziner unsere Hilfe brauchen, werden sie sie auch bekommen.

[ russland.RU ] Sehen Sie dafür schon konkrete Ansatzpunkte?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Im Moment steht die Frage, in welchen Regionen Russlands das Programm des Forums verwirklicht werden soll. Hier könnte der Petersburger Dialog durchaus hilfreich wirken, indem wir im Hintergrund das eine oder andere Gespräch mit politisch Verantwortlichen führen, um das Projekt voran zu bringen.

Außerdem tagen beide Lenkungsausschüsse regelmäßig gemeinsam und dabei kommen Probleme bei der Umsetzung von Projekten zu Sprache.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen klappt sehr gut. Unsere Arbeitsgruppe Bildung und Wissenschaft ist selbstverständlich in erster Linie für das Projekt Koch-Metschnikow-Forum zuständig, aber wir stehen beispielsweise im Kontakt mit der Arbeitsgruppe Wirtschaft unter Klaus Mangold, die uns in wirtschaftlichen Fragen berät.

[ russland.RU ] Beim 6. Petersburger Dialog wurde der Bereich Gesundheitsvorsorge erstmals im Titel der Arbeitsgruppe genannt. Bedeutet das eine andere Gewichtung der Schwerpunkte?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Das Thema Gesundheit war schon immer ein Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppe, der sich problemlos den beiden übergreifenden Bereichen Bildung und Wissenschaft zuordnen lässt. Wegen der für Dresden geplanten Unterzeichnung der Vereinbarung zum Koch-Metschnikow-Forum haben wir den Begriff Gesundheitsvorsorge diesmal in den Titel der Arbeitsgruppe aufgenommen.

[ russland.RU ] Die deutsche-russische Konferenz zu AIDS und Tuberkulose wie auch die Summer School der Infektiologen an der Charité und andere Aktivitäten aus dem Programm des Koch-Metschnikow-Forums haben schon vor dem offiziellen Startschuss auf dem Petersburger Dialog stattgefunden. Warum ist man hier vorgeprescht?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Es gab in der Tat schon vor Dresden gemeinsame Veranstaltungen und gegenseitige Spezialistenbesuche russischer und deutscher Teilnehmer am Koch-Metschnikow-Forum. Die Summer School unmittelbar vor Beginn des Petersburger Dialogs durchzuführen, war eine Hommage an das Treffen. Aber die fachliche Arbeit begann absichtlich nicht erst nach der Unterschrift unter die Vereinbarung, sondern man wollte vor dem offiziellen Beschluss auch sehen, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann. Bei solch einem wichtigen Projekt ist Vertrauen ganz wichtiges Element. Das entsteht aber nur wenn man sich schon kennen gelernt und einige Dinge gemeinsam auf den Weg gebracht hat.

[ russland.RU ] Wie unterstützt der DAAD die Kontakte zwischen den Nachwuchsmedizinern?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Der DAAD ist hier in besonderer Weise interessiert und engagiert, weil der Fächer der Zusammenarbeit auch den Schwerpunkt Aus- und Weiterbildung von akademischem Personal umfasst. Das ist das originäre Thema des DAAD. Daran knüpft sich eine weitere Aufgabe, nämlich die Zusammenarbeit bei der Erstellung von Studienunterlagen und wissenschaftlicher Literatur. Denn es ist natürlich hilfreich, wenn für die Aus- und Weiterbildung auch wissenschaftliche Materialien zur Verfügung stehen.

Zu Zeit erarbeiten wir gemeinsam die Austauschprogramme Das ist nicht ganz einfach, weil die jeweiligen Richtlinien für die Aus- und Weiterbildung von Medizinern in Deutschland und Russland zu berücksichtigen sind. Das betrifft auch die gegenseitige Anerkennung von erbrachten Studien- und Praktikaleistungen. Zudem gibt es in beiden Ländern eine unterschiedliche Pharmakologie. Aber auch das ist kein allzu großes Problem, wenn die fachlichen Kontakte einmal geknüpft sind.

Die Infektiologen haben mit dem Koch-Metschnikow-Forum einen Erfolg versprechenden Anfang gemacht und – bedingt durch die globale Brisanz von HIV/AIDS, Tuberkulose und Hepatitis – ihre Zusammenarbeit auf eine neue Ebene gehoben. Ich bin sicher, dass sich diese Kooperation mit der Zeit auf immer mehr Fachgebiete ausweiten wird.

[ russland.RU ] Gibt es schon Vorstellungen, welches Medizinthema auf dem nächsten Petersburger Dialog eine Rolle spielen könnte?

[ Prof. Dr. Wilfried Bergmann ] Zuerst muss das Koch-Metschnikow-Forum in Deutschland und Russland offiziell gegründet werden, dann ist das Programm zu aktualisieren und vor allem umzusetzen.

Hierzu wird es auf dem nächsten Petersburger Dialog auf jeden Fall einen Tätigkeitsbericht zur Arbeit der vier Hauptsektionen HIV/Aids, Tuberkulose, Hepatitis und Bluttransfusion geben. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse werden wir dann prüfen, ob weitere Projekte schon beschlussfähig sind oder noch weiter entwickelt werden müssen.

Der Petersburger Dialog bleibt also auch im Bereich Gesundheitsvorsorge die erste Adresse für die Entwicklung und Realisierung von Projekten wie dem Koch-Metschnikow-Forum. Der Petersburger Dialog ist sozusagen der politische Arm der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, während das deutsch-russische Forum die vermittelnde Kontaktbörse zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Praktisch tätigen Medizinern ist.

[ Das Gespräch führte Hartmut Hübner / russland.RU – die Internet – Zeitung ]