Am diesjährigen Petersburger Dialog in Berlin nahm auch der Direktor des Europa-Institutes der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexej Gromyko, teil. Der Wissenschaftler und Enkel des langjährigen sowjetischen Außenministers, Andrej Gromyko, sprach mit russland.NEWS über seine Eindrücke dieser deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Konferenz und die Arbeit seines Institutes.
Herr Gromyko, Sie sind nicht zum ersten Mal beim Petersburger Dialog. Was macht die Veranstaltung für Sie so interessant?
Ich habe schon etwa zehn Mal am Petersburger Dialog teilgenommen. In diesen Jahren habe ich immer wieder festgestellt: Was den Dialog stark macht, ist der offene Meinungsaustausch zu den aktuellen Fragen in den Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Dazu gab es auch diesmal in der Arbeitsgruppe Politik, an der ich teilnahm, viel zu diskutieren. Ein wichtiges Thema war die Sicherheit in Europa und der Welt. Wir haben über die jüngsten Bundestagswahlen und deren mögliche außenpolitische Auswirkungen auf Europa und das deutsch-russische Verhältnis gesprochen, ebenso über die bevorstehenden Präsidentenwahlen in Russland. Es ging um die Vorbehalte Deutschlands und des Westens gegenüber Russland und auch umgekehrt. Dabei nahm niemand ein Blatt vor den Mund, es waren mitunter sehr hitzige Diskussionen. Bei einigen Fragen wurde deutlich, dass wir auch in den nächsten Jahren zu keiner gemeinsamen Position kommen werden, aber das heißt doch nicht, dass wir sie ausklammern sollten. Der Dialog ist ein Prozess, dessen Ergebnis idealerweise gemeinsam gefundene Lösungen sind.
Ihr Institut trägt als Denkfabrik für die russische Führung nicht unwesentlich zu deren Meinungsbildung in der Europa-Politik bei. Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus Berlin mit?
Zunächst zu unserem Institut: Es wurde 1987 auf Beschluss des Ministerrates der UdSSR und der Akademie der Wissenschaften gegründet. Seine Aufgabe sollte sein, die Entwicklungen in Europa wissenschaftlich zu analysieren und mögliche Schlussfolgerungen aufzuzeigen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch die Erkenntnisse vom diesjährigen Petersburger Dialog werden in unsere wissenschaftliche Arbeit einfließen. Wir haben einen sehr großen Forschungsbereich, der sich mit den deutsch-russischen Beziehungen befasst. Auf diesem Gebiet sind wir eine anerkannte führende Einrichtung in unserem Land. Deshalb werden unsere Experten gern zu internationalen Veranstaltungen, zum Beispiel dem Petersburger Dialog, eingeladen, wo sie in verschiedenen Arbeitsgruppen, wie Wirtschaft, Ökologie oder Zukunftswerkstatt mitwirken. Für uns Wissenschaftler ist der Petersburger Dialog eine ähnlich wichtige Plattform in Deutschland, wie die Münchner Sicherheitskonferenz.
Mit welchen aktuellen Projekten zum Thema Deutschland beschäftigt sich derzeit das Europa-Institut?
Wir haben am Europa-Institut mehrere Länder-Zentren, wobei die Deutschland-Forschungen einen bedeutenden Platz einnehmen. Wissenschaftler verschiedener Generationen, von unter 30jährigen bis zu über 80jährigen, widmen sich diesem Thema und dies bietet ein interessantes Spektrum des Herangehens, der Meinungen und Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse unserer Analysen fließen ein in die Entwicklung der Strategie Russlands gegenüber Deutschland und den anderen Ländern Mittel- und Westeuropas.
Wir führen regelmäßig auf unterschiedlichen Ebenen Veranstaltungen zu verschiedenen Fragen des Verhältnisses Deutschlands und Russlands durch und nehmen Stellung zu aktuellen Entwicklungen. Auf unserer Internetseite veröffentlichen wir Berichte und Vorträge unserer Experten, so dass sich jeder Interessierte über unsere Sicht auf die Dinge informieren kann.
Zudem arbeiten wir eng mit vielen deutschen Stiftungen zusammen, die in Moskau vertreten sind, wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung oder auch der Körber-Stiftung. Darüber hinaus haben wir viele Kontakte zu wissenschaftlichen und politischen Instituten in Deutschland. Ich war gerade auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Außenpolitik in München, wo ebenfalls die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland im Mittelpunkt standen. Für April kommenden Jahres bin ich als Gastredner zu einem Symposium der Körber-Stiftung eingeladen. Das heißt wohl, dass unsere Arbeit auch im Ausland geschätzt wird.
Und was ist der Prophet im eigenen Lande Wert?
Wenn wir als Maßstab für die Anerkennung unserer Arbeit in Russland die Dankesbezeugungen aller Verantwortlichen für die Politik und die Sicherheit Russlands anlässlich des 30jährigen Bestehens unseres Institutes nehmen, dann lagen wir mit unseren Analysen und Einschätzung im Großen und Ganzen richtig Und dazu tragen eben auch solche hochwertigen Veranstaltungen, wie der Petersburger Dialog, bei.
[Hartmut Hübner/russland.NEWS]