“Andere jagen Elefanten in Afrika, ich gehe nach Russland”

“Andere jagen Elefanten in Afrika, ich gehe nach Russland”

Professor Dr. Helmut Hahn über die deutsch-russische Zusammenarbeit im Bereich der Medizin

Herr Professor Hahn, wie kam es dazu, dass Sie das Koch-Metschnikow-Forum gegründet haben – eine Organisation, die deutsche und russische Mediziner zusammenbringt?

Prof. Hahn: Das ist eine lange Geschichte. Ich hatte bei der Charité ein Kooperationsprojekt mit einem Institut der Russischen Akademie der medizinischen Wissenschaften in Moskau (RAMW). So lernte ich russische Medizinstudenten und Ärzte kennen, und plötzlich interessierte ich mich für diese Menschen, weil sie so wissbegierig und sehr herzlich waren. Ich komme aus dem Rheinland und hatte ja keine Kontakte mit Menschen aus der Sowjetunion. Bei meinem ersten Besuch im damaligen Leningrad habe ich erkannt, wie reich die russische Kultur ist und wie europäisch geprägt die Russen sind. Seitdem bin ich begeisterter Anhänger Russlands. So habe ich versucht, die deutsch-russische Beziehung auf eine formale Basis zu stellen. Im Jahre 2006 habe ich erreicht, dass eine Vereinbarung zwischen dem KM-Forum und der RAMW über die Zusammenarbeit getroffen wurde. Die Unterschriften unter dem Vertrag wurden während des Petersburger Dialogs in Dresden in Anwesenheit der Bundeskanzlerin Merkel und des russischen Präsidenten Putin geleistet und mit ihrem Handschlag bekräftigt. So wurde das KM-Forum gegründet, mit dem Ziel die Zusammenarbeit zwischen russischen und deutschen Medizinern zu intensivieren.

Und mit dem Zweck, das medizinische Niveau in Russland dem europäischen anzupassen.

Prof. Hahn: Ich muss eins klarstellen: Es geht nicht darum, dass das deutsche Gesundheitssystem dem russischen überlegen ist. Die russischen Ärzte sind genauso gut wie ihre Kollegen in der EU. Aber die Richtlinien und die Standards sind in Russland anders als in Europa. Da wir aber zusammenwachsen in unserem gemeinsamen Haus Europa, ist es enorm wichtig, die Gesundheitssysteme einander anzugleichen. Also wir reden hier nicht von einem Qualitätsunterschied.

Ist das KM-Forum in ganz Russland tätig?

Prof. Hahn:  Wir versuchen flächendeckend zu arbeiten. Wir haben eine Filiale in Nowosibirsk, wir arbeiten mit der Medizinischen Akademie in Smolensk, mit Medizinischen Universitäten in Petersburg, Moskau, Rostow am Don, Jekaterinburg, Tomsk, Krasnojarsk, Irkutsk und Kasan. Unter Absprache mit der russischen Seite machen wir Veranstaltungen dort, wo der Wunsch dazu besteht.

Wie überzeugen Sie deutsche Ärzte, sich für Ihren Verein zu engagieren?

Prof. Hahn: Das ist überraschend einfach. Ich habe mehr als 47 Jahre in der Universitätsmedizin gearbeitet und kenne sehr viele Kollegen, auch solche, die ich als Professor ausgebildet hatte. Ich wecke bei ihnen die Neugierde, indem ich sie frage, ob sie nicht mit nach Russland wollen. Ein Großteil der Westdeutschen, gerade auch Akademiker, kennen Russland überhaupt nicht oder haben abenteuerliche Vorstellungen über dieses Land. Ich erlebe jedes Mal, dass deutsche Kollegen von ihren Reisen nach Russland begeistert zurückkehren und sagen: „So habe ich mir das Land und die Menschen nicht vorgestellt“.

Hat Ihr Verein nach dem Jahr 2014 negative Veränderungen gespürt?

Prof. Hahn: Absolut nein! Unsere Arbeit ist unpolitisch, wir sind eine deutsch-russische Wissenschaftsorganisation und haben keinerlei Einschränkungen. Wir werden von der russischen Seite auch nicht als „Agenten“ betrachtet, sondern als Freunde. Außenminister Lawrow hat beim Petersburger Dialog im vorigen Jahr gesagt: „Das Koch-Metschnikow-Forum ist eine der wenigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die den Dialog zwischen unseren Ländern trotzt politischen Schwierigkeiten aufrechterhalten“. Ich bin auch stolz darauf, dass mir als ausländischem Mediziner die Ehrendoktorwürde des Medizinisch-Chirurgischen Pirogow-Zentrums verliehen wurde.

Sie sind auch Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Prof. Hahn: Diese große Ehrung bekam ich 2011. Das öffnet für mich natürlich auch viele Türen in Russland, und ich kann ohne Weiteres Termine mit hochrangigen Entscheidern und Meinungsbildnern bis in die Regierungsebene hinein vereinbaren.

Welche Projekte des KM-Forums liegen Ihnen besonders am Herzen?

Prof. Hahn: Das wichtigste ist, Mediziner aus Deutschland und Russland zusammen zu bringen. Wir Ärzte sind neugierige und wissbegierige Menschen, und wollen wissen, wie unsere Kollegen in anderen Ländern arbeiten. Der größte Teil unserer Arbeit besteht aus Hospitationen. Wir vermitteln Stellen in Deutschland, wo junge russische Ärzte mehrere Wochen hospitieren können. Auf der leitenden Ebene ist die Teilnahme an internationalen Kongressen wichtig. Entweder wir organisieren selbst solche Veranstaltungen oder ermöglichen die Teilnahme der russischen Spezialisten. Russische Ärzte sind sehr am Thema der Rehabilitationsmedizin interessiert. Wir organisieren für sie Besuche in einzelnen Rehabilitationskliniken. Aber auch AIDS, die betriebliche Gesundheitsvorsorge, Gesundheit von Mutter und Kind oder das medizinische Qualitätsmanagement stehen im Fokus. Dafür führen wir verschiedene Projekte durch.

Herr Professor Hahn, ich weiß, dass das KM-Forum Ihnen sehr am Herzen liegt und Sie sogar ihr Privatvermögen in den Verein investiert haben. 

Prof. Hahn: Andere jagen in Afrika Elefanten, ich gehe nach Russland und organisiere Kongresse. Und wissen Sie, das macht mir einen Riesenspaß!

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]