Wiesbaden ist seit gestern Gastgeber für den 7. Petersburger Dialog. Im Kurhaus der hessischen Landeshauptstadt wurde die diesjährige zivilgesellschaftliche Konferenz zwischen Russland und Deutschland mit einer Podiumsdiskussion eröffnet.
Bereits seit Donnerstag berät im Hessischen Landtag das 3. deutsch-russische Jugendparlament zur Frage „Haben Russland und Europa eine gemeinsame Zukunft?“ Jugendliche beider Länder im Alter zwischen 18 und 24 Jahren diskutieren nach parlamentarischen Regeln in Plenum und Ausschüssen, wie die junge Generation dazu beitragen kann, die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland unter den Bedingungen der europäischen Einigung weiter zu vertiefen. Während der Beratungen werden die Umsetzung bereits begonnener Projekte eingeschätzt und neue Vorhaben vorgestellt.
Ähnlich konkret werden in den acht Arbeitsgruppen des Petersburger Dialogs die Arbeitsergebnisse seit dem Treffen im vergangenen Jahr in Dresden bewertet und die weiteren Aufgaben besprochen. So hat das Koch-Metschnikow-Forum (KMF), das 2006 in der Elbestadt mit der Unterstützung durch Präsident Putin und Bundeskanzlerin Merkel gegründet worden war, um Foyer der Tagungsstätte mit Poster und Modell darüber informiert, wie deutsche und russische Mediziner im Rahmen des Forums zur Verbesserung der gesundheitlichen Betreuung zusammenarbeiten.
Erst vor einem Monat hatte das KMF gemeinsam mit der Universität Tomsk eine Konferenz mit rund 1000 Teilnehmern zur Bekämpfung von sozial bedrohlichen Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis organisiert.
Neu: Arbeitgruppe zu Kirchenfragen
Erstmals wird es in Wiesbaden eine Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa“ geben, die sich dem Thema „Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft – Aspekte aus russischer und deutscher Sicht“ widmen wird.
Während der gestrigen Podiumsdiskussion zum Thema „Einheit Europas – deutsche und russische Beiträge “ hatte der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses, Lothar de Maiziére, letzter Ministerpräsident der DDR, festgestellt, dass sich der Petersburger Dialog zu einer festen Größe in den deutsch-russischen Beziehungen auf zivilgesellschaftlicher Ebene entwickelt habe, „jenseits aller nüchternen politischen und wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen“. Die Erfolgsgeschichte des Petersburger Dialogs widerspiegele sich in zahlreichen Projekten, wie dem Koch-Metschnikow-Forum, die konkrete Auswirkungen auf den Alltag in beiden Ländern haben. „Der Wert des Petersburger Dialogs liegt dabei in den offenen Diskussionen und fairen kontroversen auf der Grundlage von Vertrauen und dem Bemühen um gegenseitiges Verständnis“, erklärte de Maiziére.
Der Vorsitzende des russischen Lenkungsausschusses und frühere UdSSR-Präsident Michail Gorbatschow, bezeichnete die Annäherung der Völker Russlands und Deutschlands auf zivilgesellschaftlicher Grundlage als Hauptaufgabe des Petersburger Dialogs. Er regte an, bei den Beratungen zur Wirtschaftspolitik besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des kleinen und mittleren Unternehmertums sowie die Landwirtschaft zu richten und dabei die Möglichkeit der Anwendung deutscher Erfahrungen in Russland zu prüfen. „Der Petersburger Dialog bietet uns die Atmosphäre, in der Projekte entstehen, die einzig und allein den Interessen der Bürger dienen“, unterstrich Gorbatschow.
Matwijenko lädt Petersburger Dialog für 2008 ein
Die Zukunftsorientierung des Petersburger Dialogs würdigte Roland Koch, hessischer Ministerpräsident und Gastgeber der diesjährigen Veranstaltung. Er verwies auf die engen partnerschaftlichen Beziehungen des Bundeslandes zur Region Jaroslawl und machte deutlich: „Wir fühlen uns von Russland nicht bedroht, vielmehr sehen wir in dem europäischen Nachbarn einen wichtigen politischen und wirtschaftlichen Partner.“ Diese Aussage bestätigte die Gouverneurin von St. Petersburg, Valentina Matwijenko, als sie darüber informierte, dass allein in der „nördlichen Hauptstadt“ über 400 Unternehmen mit deutscher Beteiligung tätig sind und die Investitionen aus Deutschland in ihre Region in jüngste Zeit deutlich gestiegen sind. Sie verwies auf die einzigartigen Möglichkeiten gerade für deutsche Firmen in der Sonderwirtschaftszone „Neudorf“ auf der St.Petersburger Insel „Starinnyi Ostrow“. Der Petersburger Dialog könne dazu beitragen, das Vertrauen in die Ernsthaftigkeit der Partnerschaftsangebote zu fördern. Um das auch an ort und Stelle zu beweisen, schlug sie vor, den nächsten Petersburger Dialog im kommenden Jahr wieder an seinem Geburtsort durchzuführen.
Der Petersburger Dialog könne auch dazu beitragen, die für gedeihliche Beziehungen zwischen Russland, Deutschland und Europa anzustrebende Harmonie in allen gesellschaftlichen Bereichen zu entwickeln, zeigte sich Dr. Klaus Mangold, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft überzeugt. In wirtschaftlicher Hinsicht schließe dies ein, für den Abbau von bürokratischen Hemmnissen für deutsche Unternehmen in Russland ebenso ein, wie die Forderung nach Investitionsfreiheit für russische Kapitalanleger in Deutschland.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurde der Peter-Boenisch-Gedächtnispreis für Nachwuchsjournalisten an Stefan Bidder verliehen, der in seinem Beitrag für Spiegel online die menschlichen Aspekte der Betreuung russischer Veteranen durch junge Deutsche in bewegender Weise dargestellt hatte.
Heute wird der Petersburger Dialog mit den Beratungen in den Arbeitsgruppen fortgesetzt, am Abend werden Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Wiesbaden erwartet, wo sie morgen an der Veranstaltung teilnehmen werden. [ Hartmut Hübner / russland.RU – die Internet – Zeitung ]